In der Welt der Handelssytementwicklung gibt es grundsätzlich nur zwei Richtungen. Entweder baut der Programmierer ein System auf Basis von Trends auf oder er konzentriert sich auf zyklische Bewegungen.
- Trendsysteme
Bei einem Trendsystem ist immer der laufende Trend die Ausgangsbasis. Der Trader misst und beurteilt das Trendmuster, und versucht passend dazu, Ein- und Ausstiegssignale zu bestimmen. In diese Kategorie gehören zum Beispiel alle Ausbruchssysteme. Der Trend fungiert somit nur als Filter.
- Zyklische Systeme
Das zyklische Trading ist ideal in Zeiten, wenn es keine bzw. nur wenige Trends gibt. Bei jedem zyklischen Handelssystem geht es um das Ausnutzen von Kurschwüngen. Nahezu immer werden dafür Oszillatoren benutzt. Man erkennt den Systemtyp leicht, wenn überkaufte bzw. überverkaufte Marktsituationen definiert werden können. Für das zyklische Trading ist der Stochastik-Indikator das Paradebeispiel.
Als neugieriger Trader, darf die Frage erlaubt sein, ob es nicht auch noch etwas dazwischen gibt. Das wäre also ein Ansatz, der sowohl in zyklischen Märkten als auch in Trendmärkten funktioniert.
Ein „Zwitter“ wäre das Trading mit Fraktalen. Der Begriff „Fraktal“ ist eine Kreation des Chaos-Forschers Benoit Mandelbrot. Er beschreibt damit Teilstücke eines chaotischen Gebildes. Damit sind Kurssegmente mit ähnlicher Formgebung gemeint. Ein definiertes Fraktal lässt sich auf allen Zeitebenen finden, und sogar wieder in Teilsegmente zerlegen. Das Prinzip ist vergleichbar mit Matroschka-Puppen. Das ist eine große Holzpuppe, die weitere kleinere Holzpuppen enthält.
Genauso funktioniert die Elliott-Wellen-Theorie. Auch hier finden wir Fraktale vor, die aus definierten Kurswellen bestehen, und sich wieder in ähnliche Teilwellen zerlegen lassen.
Das Alligator-Trading mit Fraktalen
Bill Williams war einer der ersten Trader, der konsequent eine klare Handelsstrategie auf Basis von Fraktalen aufbaute. Zur Info: Bill Williams darf nicht mit dem populären Larry Williams verwechselt werden. Bill ist ein Trading-Vetetran (geb. 1932), der zwei bekannte Trading-Bücher geschrieben hat „Trading-Chaos“ und „New Trading Dimensions“.
Vielleicht das bekannteste Tool seines Tradings ist das „Alligator-System“.
Bild: Wochen-Chart des DAX im Alligator-System von Bill Williams
Die Form des Alligatorkopfes ist ein Trendmuster
Im Chart gibt es eine obere und untere Punktlinie (siehe Pfeile). Die Punktlinien entstehen durch Fraktale und bilden optisch einen Alligator-Kopf (zumindest manchmal). In den Williams-Büchern nimmt das Thema Chaos einen großen Bereich ein. So stellt er die These auf, dass konventionelle Indikatoren nicht funktionieren können, weil die Märkte chaotisch sind. Konsequent umsetzen tut auch Williams seine These nicht. Er selbst benutzt nämlich eine ganze Reihe von Indikatoren. Sogar sein Alligator-System enthält Gleitende Durchschnittslinien als Trendindikation.
Die Formung des Alligatorkopfes ist allerdings höchst interessant. Die Kopfform ist nämlich ein Idealmuster für Trendmärkte. Die Schädelform entsteht durch eine starke Kurbewegung. Sie bildete einen Impuls, wodurch eine zweite Bewegung in die gleiche geschehen sollte. Das Maul des Alligators ist dann eine klassische Konsolidierung. Je enger das Maul geformt ist, desto entspannter ist der Markt. Danach entsteht eine neue Kursdynamik in Trendrichtung. Über die Kursdynamik öffnet sich das Maul wieder.
Ausbruch-Trading mit fraktale Muster
Das spannende am Alligator ist der Aufbau durch Fraktale. Sie sind sowohl in einem zyklischen als auch im trendigen Markt wieder zu finden.
Bild: Aufbau der Fraktale (Abwärtsmuster und Aufwärtsmuster)
Das Fraktal entsteht durch ein Zählmuster
Jedes Fraktal besteht aus fünf Candlesticks. Die dominante Candlestick ist immer die Dritte, weil sie das Signal-Tief oder Signal-hoch bildet. In einem Fractal-Down bildet die Candlestick Nr. 3 immer das tiefste Tief. Beim Fractal-Down sind nur die Tiefs wichtig. Das Tief 1 ist tiefer als das vorherige. Tief 2 ist tiefer als Nr. 1 und Tief 3 ist tiefer als Nr. 2. Nun kommt die Umkehr: Tief Nr. 4 ist höher als Tief Nr. 3 und Tief 4 ist höher als Tief 5.
Das umgekehrte Zählmuster gibt es beim Fractal-Up:
Hoch 1 ist höher als die vorherige Candlestick.
Hoch 2 ist höher als Hoch 1
Hoch 3 ist höher als Hoch 2
Hoch 4 ist niedriger als Hoch 3
Hoch 5 ist niedriger als Hoch 4
Ein Long-Signal entsteht beim Fractal-Up, wenn das Hoch von Nr. 3 überboten wird. Im Gegensatz dazu gibt es ein Short-Signal beim Fractal-Down, wenn das Tief von Nr. 3 unterboten wird.
Beim Alligatorsystem sind die Abwärts- und Aufwärtsfraktale in einer einfachen Linienform dargestellt. Das Fünfer-Zählprinzip ist dabei stets die Grundlage.
Nicht jedes Fraktal ist ein gutes Signal
Das fraktale Muster können Sie universell in viele Trading-Systeme einbauen. Es wäre ein Signalfilter, der die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht. Es ist uneingeschränkt in allen liquiden Märkten vorzufinden und sogar in jeder A-B-C-Formation.
Wenn es so oft erscheint, dann sollte man jedoch den Einsatz nicht übertrieben. Ansonsten steigen die Handelskosten zu stark an. Backtests zeigen, dass die unsystematische Anwendung der Fraktale nicht effektiv ist. Es liegt nahe, die Fraktale in einem Trend, genauer gesagt, in Trendrichtung zu nutzen. Das macht im Übrigen auch Bill Williams mit seinem Alligator-System. Der Chart in Bild 1 offenbart es. Zum Alligator sind drei Gleitende Durchschnitte hinzugefügt. Es sind MA5, MA8, und MA13 mit einem Versatz von acht Candlesticks.
Wie stark die Wirkung in einem Trend ist, können Sie an einem einfachen Filter sehen. Hätten Sie die Fraktale mit einem MA40 als Trendfilter gehandelt, und für Long-Trades einen Schlusskurs über MA40 und für Short-Trades unter MA40 gefordert, dann wäre folgendes Ergebnis beim DAX entstanden.
Handelsergebnisse mit Basiswert DAX auf Wochenbasis
Zeitraum: 01.01.1970 – 20.07.17
Trefferquote: 54,3 %
Payoff-Ratio: 1,21
Profitfaktor: 1,44
Anzahl der Trades: 164
Max Drawdown: 29%
Jeder Trade wird nach 9 Candlesticks beendet (= 9 Wochen).
Der Ausstieg aus Trades
Die meisten Trading-Anfänger sind auf der Suche nach einem besonderen Handelsansatz. Dafür suchen Sie ideale Einstiegsformationen. Meistens wird die Ursprungsidee noch mit vielen zusätzlichen Bedingungen verknüpft. 80% der Entwicklungszeit wird für den optimalen Einstieg verwendet. Die restlichen 20% für den Ausstieg. Das ist ein fachlicher Fehler, denn der Einstieg und der Ausstieg sind inhaltlich miteinander verbunden. Wenn Sie zum Beispiel einen Einstieg im Trend umsetzen, und dann aber einen Oszillator für den Ausstieg benutzen, dann werden Sie Ihre durchschnittlichen Gewinne begrenzen. Es liegt nun mal im Wesen eines Oszillators, dass er in seinem Grenzbereich umkehrt. Dadurch könnte ein guter Trade aus dem Markt genommen werden, obwohl der Trend noch läuft.
Bei der Systementwicklung ist der Ein- und Ausstieg gleichberechtigt. Demnach sollte der gleiche zeitliche Aufwand bei der Optimierung verwendet werden.
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