Nur ein Dauerwunsch: Mehr Chance und weniger Risiko im Trade
Sehr viele Trader propagieren, dass es wichtig ist, mit einem guten Chance-Risiko-Verhältnis (CRV) zu arbeiten. Grundsätzlich gibt es an diesem Wunsch nichts auszusetzen. Doch was ist ein gutes CRV? Noch verwirrender wird es, wenn Trader davon sprechen, dass sie nur dann einen Trade umsetzen, wenn das CRV mindestens 3 zu 1 beträgt. Die meisten Trader-Märkte sind sehr effizient, wo gibt es dann Trades mit einem dreifachen CRV? Das dürfte eher eine Seltenheit sein.
Was ist das CRV konkret?
Um über das CRV zu diskutieren, müssen wir zunächst klären, was damit im Detail gemeint ist. Das CRV ist im Kern keine echte statistische Kennzahl eines Handelssystems. Oftmals wird das CRV mit der Payoff-Ratio verwechselt. Im Gegensatz zum CRV ist die Payoff-Ratio eine echte Systemkennzahl. Es ist das Verhältnis aus den Durchschnittsgewinnen und den Durchschnittsverlusten. Das CRV ist daher eng mit der Payoff-Ratio verwandt. Der Unterschied: Beim CRV geht es um den konkreten einzelnen Trade. Bei der Payoff-Ratio geht es um die Summe der System-Trades.
Payoff-Ratio = Durchschnittsgewinne / Durchschnittsverluste
CRV eines Trades = Potenzieller Gewinnbetrag / Potenzieller Verlustbetrag
Der CRV ist demnach der Bestandteil einer Payoff-Ratio und meistens von Trade zu Trade unterschiedlich. In der Summe der durchgeführten Trades ergibt sich daraus die Payoff-Ratio als Kennzahl.
Die Wichtigkeit des CRV für die Performance
Es ist kein Geheimnis, dass die Mehrheit der Börsianer an der Börse Geld verliert. Nun könnte man unterstellen, dass es nur Anfänger betrifft. Das ist jedoch nicht so. Auch fortgeschrittene Trader kämpfen kontinuierlich mit der Gewinnschwelle. Dabei schätzen Trader die Marktrichtung oft richtig ein, doch sie landen langfristig nicht im Gewinn, weil die Mehrzahl der einzelnen CRVs nicht ausreichend hoch war.
Wie hoch muss die Payoff-Ratio sein, damit ein Handelssystem an der Schwelle zur Profitabilität steht?
Quote | CRV |
67% | 0,5 |
50% | 1 |
40% | 1,5 |
33% | 2 |
25% | 3 |
Die kleine Tabelle sollte für jeden Trader interessant sein, der mit einem konstanten CRV handelt. Die meisten Trader wünschen sich einen CRV von 2. Das wäre ziemlich gut, denn ein Trader benötigt nur noch eine Trefferquote über 33%, um profitabel zu sein. Oder in einem umgedrehten Beispiel: Wenn ein Trader eine Trefferquote von 40% erzielt, dann muss zur Profitabilität der typische CRV größer als 1,5 sein.
Ist es sinnvoll, mit einem fixen CRV zu arbeiten?
Die Banalität des Tradings könnte jetzt sein, dass ein Trader einfach bei jedem Trade einen Stop-Loss setzt. Damit wäre, ausgehend vom aktuellen Kurs, das Risiko zahlenmäßig definiert. Anschließend nimmt er die Kursdistanz vom aktuellen Kurs bis zum Stop-Loss und multipliziert die Distanz mit zwei oder drei. Das Ergebnis wird dann als Profitstop gesetzt. Rechnerisch ergibt sich so die Gewinnchance.
Das Bild 1 zeigt die einfache Vorgehensweise.
Bild1: Beispiel für einen Trade mit einem fixen CRV von 2
Das obere Bild zeigt ein Handelsbeispiel mit einen fixen CRV von 2. Ausgehend vom aktuelle Kurs wird ein guter Stop-Loss gesucht. Der Stop-Loss könnte zum Beispiel bei 73 Euro liegen. Bei 77,40 und bei 75 Euro gibt es eine Unterstützung. Demnach wäre ein Stop-Loss bei 73 Euro technisch gut geschützt.
Die Differenz vom aktuellen 82,85 Euro zum Stop-Loss 73 Euro beträgt 9,85 Euro. Dieser Betrag ist unser Risiko. Damit ein CRV von 2 entsteht, müssen wir den Betrag multiplizieren (9,85 Euro x 2 = 19,70 Euro. Der Profitstop beträgt folglich 82,85 Euro + 19,70 Euro = 102,55 Euro).
Bei dem fixen CRV kommt nun das ABER
Das Handelsbeispiel von Bild 1 ist in der Theorie sehr schön. Wenn Trading so einfach wäre, gäbe es ja nur noch Erfolgreiche! Leider ist das Handelsbeispiel nur graue Theorie.
Warum das so ist, zeigt der nachfolgende Chart (Bild 2) mit Widerständen und Unterstützungen.
Wegen des starren CRV von 2 ist nämlich der berechnete Profitstop bei 102,55 Euro realitätsfern. Damit der Profitstop erreicht werden kann, muss er drei wichtige Widerstände überwinden. Machen wir uns nichts vor, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass der Kurs spielend nach oben läuft. Es gibt schließlich starke Widerstände, die überwunden werden müssen.
Im Bild 2 sind die Widerstände eingezeichnet, und jeder einzelne ist so stark, dass der Kurs nach unten abprallen könnte. Hinzu kommt, dass der Kursverlauf sich nicht in einem Trend befindet. Der Trade ist in einem volatilen Seitwärtsmarkt eingebettet, in dem Widerstände und Unterstützungen eine stärkere Bedeutung haben.
Bild 2: Beispiel für CRV von 2
Das Bild zeigt den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Während der Stop-Loss noch gut ausgewählt wurde, weil er durch zwei Unterstützungen geschützt ist, muss man hinter dem Profitstop ein großes Fragezeichen setzen.
Wegen des starren CRV von 2 ist nämlich der berechnete Profitstop bei 102,55 Euro zu weit entfernt. Damit der Profitstop erreicht werden kann, muss er drei wichtige Widerstände überwinden. Das ist ziemlich unwahrscheinlich, und zerstört die Theorie mit dem fixen CRV.
Die Lage des Profitstops macht den Trade schlecht
Wirklich fatal ist die Lage des Profitstops in Bild 2. Nehmen wir an, der Trade funktioniert, und der Kurs kämpft sich durch drei Widerstände hindurch, und erreicht den Profitstop. In diesem Fall muss man das Ergebnis trotzdem als schlechten Trade ansehen, denn der Kurs hätte nach dem Überwinden des Widerstandes von 101,50 Euro freie Bahn nach oben gehabt. Möglicherweise wäre das der Start eines neuen Aufwärtstrends gewesen. In dem Fall hätte der Gewinn auch viel weiter ausgebaut werden können. Die Gewinne einfach mitzunehmen, nur weil sich der rechnerische Profitstop (CRV von 2) dort befindet, macht deshalb keinen Sinn.
Die Praxis zählt und nicht die Theorie
Selbst erfahrene Trader pochen manchmal auf der fixen Idee des starren CRVs. Sollten diese Trader damit tatsächlich erfolgreich sein, dann kann man dazu nur gratulieren. Andererseits könnte man annehmen, dass diese Trader noch sehr viel erfolgreicher sein könnten, wenn sie ihre Vorgehensweise optimieren, und nicht mit einem fixen CRV arbeiten würden.
Ein Stop-Loss und ein Profitstop sollte immer in Abhängigkeit von der Marktstruktur gesetzt werden.
Folgende Parameter sind beachtenswert:
- Trendstärke und Volatilität
- Widerstände und Unterstützungen
- Zyklische Merkmale des Handelswertes
Grundsätzlich kann die Regel aufgestellt werden, dass ein CRV umso größer gewählt werden kann, wenn sich der Handelswert in einem Trend befindet. Je größer die Trendstärke, desto größer darf das CRV sein.
Nicht ganz befriedigend beantwortet wird die Grundsatzfrage, ob man in einem Trend überhaupt mit einem Profitstop arbeiten sollte. Gute Trends haben nun mal die Eigenschaft, dass sie überdurchschnittlich lange laufen. Dabei treiben die Börsianer den Kurs sogar in Bereiche hinein, die mathematisch unwahrscheinlich sind. Der Trend ist ein Rennpferd, das so lange geritten wird, bis es tot umfällt.
Teil 2: Hier klicken
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