Fast jeder Börsianer sucht nach einem Indikator, der ihm die Zukunft voraussagt. Ziel ist es, vor den anderen Marktteilnehmern im Markt positioniert zu sein und auszusteigen, bevor der Markt wieder dreht. Die Lösung liegt näher als man denkt.
Schaut man sich die Börsenkarriere der meisten Börsianer an, so landen sie zuerst bei den verschiedenen Kurscharts. Dann geht es weiter mit den Indikatoren, um die Kurscharts richtig zu interpretieren. Auch hier werden zunächst die Standardindikatoren ausprobiert. Beliebt sind RSI, Stochastik, MACD, CCI und ROC. Da diese Indikatoren aber keine hundertprozentige Zuverlässigkeit bieten, geht es weiter mit Spezialindikatoren, die nicht selten nur Variationen der Standardindikatoren sind.
Die Welt der Indikatoren ist eine persönliche Perspektive auf die Analyse des Aktienmarktes. Manche Börsianer mögen Indikatoren, andere bleiben skeptisch. Die meisten Börsianer wählen einige wenige Indikatoren aus und bleiben ihnen treu. Einen Superindikator mit 100 % Quote haben die Experimentierfreudigen garantiert auch nicht gefunden. Wie denn auch, jeder Kursindikator ist nur eine mathematische Veränderung des Kurses. Wird der Indikator zusätzlich geglättet, dann ist er auch noch nachlaufend. Das ist vergleichbar mit einem Gleitenden Durchschnitt und kein Durchschnitt kann schneller sein als der Kurs selbst!
Ein Blick in die Zukunft?
Um einen Blick in die Zukunft des Kurses zu werfen, ist es notwendig, den Kurs zu interpretieren. Dazu müssen wir einen anderen Blickwinkel einnehmen. Geht man z.B. von einer Trendbewegung aus, so kann sich ein langfristiger Trend nur ändern, wenn der Kurs kurzfristig sein Bewegungsverhalten ändert. Bevor sich der Trend ändert, ändert sich seine Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeitsänderung geht mit einer Änderung der Volatilität einher, da sich Unsicherheit über die zukünftige Kursentwicklung breit macht. Kurzum: Momentum ist der Schlüssel zu einem statistisch profitablen Handelsansatz.
Was zeigen Trendlinien?
Die meisten Börsianer versuchen, ihre vorgefasste Meinung durch den Chart zu bestätigen. Sie zeichnen „willkürlich“ Trendlinien in den Chart und interpretieren das Trendende erst, wenn irgendeine Trendlinie durchbrochen wurde. Für den vorausschauenden Trader ist das zu spät. Und wenn man schon Trendlinien als Hilfsmittel benutzt, dann sollten sie systematisch eingezeichnet werden, wie zum Beispiel beim „Channeling“.
Für eine Trendanalyse müssen wir uns mit den Bestandteilen eines Trends beschäftigen. Jeder Trend setzt sich aus progressiven und regressiven Kurswellen zusammen. Die progressiven Kurswellen sind die treibenden Wellen des Trends. Um nun das Ende des Trends zu erahnen, müssen wir uns auf die progressiven Kurswellen konzentrieren. Dies sind die Schlüsselfaktoren der Trendanalyse. Dazu benötigen wir ein Messinstrument, da der Verlauf der Kurswellen meist nicht durch einen einfachen Blick auf den Chart zu erkennen ist.
Kurswellen analysieren und Divergenzen entdecken
Das geeignete Messinstrument für die Wellenanalyse ist so primitiv, dass man sich nur wundern kann, warum sich so wenige Börsianer damit beschäftigen. Die Rede ist von der Rate-of-Change (ROC). Für die meisten Trader scheint die ROC ein Urzeitindikator der Technischen Analyse zu sein. Vielleicht ist er das auch, aber er ist der einfachste Weg, um die Wellenbewegungen eines Trends zu interpretieren.
Der Indikator misst die Geschwindigkeit des Kurses. Das darf man sich wie ein Tachometer vorstellen, der km/h anzeigt. Der ROC zeigt Kursveränderung in Abhängigkeit zum Zeitverlauf. Die Höhe des ROC bestimmt die Beschleunigung der Kursbewegung und die Zeiteinheit ergibt sich über die Periodeneinstellung des Indikators. Bei der Periodeneinstellung ist auch ein grundsätzlicher Fehler in der Handhabung möglich. Wir wollen nämlich einen Trend analysieren und wir benötigen dazu die typische Anzahl der Candlesticks innerhalb einer progressiven Kurswelle.
Gehen wir von einem klassischen Aktienmarkt aus, zum Beispiel dem S&P 500, dann enthält eine impulsive Kurswelle etwa zehn bis 20 Candlesticks. Machen wir es uns nicht zu kompliziert und einigen uns auf die Zahl 14. Gehen wir von einem Aufwärtstrend aus, dann suchen wir die Trendschwäche über das Momentum. Ein anderes Wort für Momentum wäre zum Beispiel Kursschwung. Bild 1 zeigt das Grundprinzip der Analyse.
B1: Grundprinzip des Momentums
Die Schwäche einer Kursbewegung zeigt sich im Zeitverlauf durch eine abnehmende Kursänderung. Während die Bewegung von Punkt 1 zu Punkt 3 noch viel Schwung enthält, nimmt dieser von Punkt 2 zu Punkt 3 deutlich ab.
Wie ein Kurschart sinnvoll analysiert werden kann, zeigt Bild 2. Als Beispiel wurde der SPY (S&P 500-ETF) mit seinem ROC-Indikator dargestellt. Für die Divergenzanalyse soll nun ein Vergleich der relativen Kursgipfel mit den Gipfeln des Indikators umgesetzt werden. Ab Juli zeigt der ROC ein abnehmendes Kursmomentum. Während der Kurschart zu neuen Hochs ansetzte, fiel der ROC bereits zurück und bildete eine bearishe Divergenz. Kurz darauf ging der Kurs in eine Korrektur über.
B2: S&P 500-ETF (SPY) im Wochen-Chart in Schwäche in der Aufwärtsbewegung
Beachten Sie die Hochpunkte der Kursentwicklung und des ROC-Indikators. Der Chart zeigt eine klassische Aufwärtsbewegung, die mit einer Divergenz zwischen Indikator und Kursverlauf endet. Der ROC dreht vor dem Kursverlauf seine Bewegungsrichtung und ist aufgrund des Momentums kontinuierlich.
In Bild 3 gibt es ein weiteres Beispiel diesmal mit dem Gold-Chart. In diesem Zeitraum sind sogar verschiedene Divergenzen zu beobachten. Die erste Divergenz ist im Kurs-ROC-Vergleich relativ schwach ausgeprägt. Es ist lediglich zu erkennen, dass der Kurschart deutlich in die Tiefe ging und der ROC selbst ein neues Tief ausbildete, das aber keine vergleichbare tiefe Abwärtsbewegung erzeugte. Man könnte dies eine schwache bullishe Divergenz nennen. Das zweite Beispiel von April bis Juni 2022 zeigt bereits eine idealtypische bullishe Divergenz. Während der Kurs noch in der Abwärtsbewegung verharrte, begann der ROC bereits eine Aufwärtsbewegung. Das dritte Beispiel entspricht wieder einer Aufwärtsbewegung, die mit einer bearishen Divergenz endet.
B3: Gold-Chart mit drei Beispielen von Momentumschwäche
Die Grafik zeigt verschiedene Marktsituationen und die entsprechenden Divergenzen. Die ersten beiden Situationen treten in einer Abwärtsbewegung auf, das dritte Beispiel entspricht einer Aufwärtsbewegung. In allen drei Beispielen liefert der Momentum-Indikator ein klares Divergenzsignal zum Kursverlauf.
Divergenzen funktionieren gut, aber nicht hundertprozentig
Divergenzen sind ziemlich zuverlässig und sie bieten sogar einen Vorlauf zum Kurs. Manchmal ist die Divergenz jedoch nicht so eindeutig wie gewünscht. In diesem Fall benötigt der Trader nicht nur das Divergenzsignal, sondern auch klare Handelsregeln für den Fall, dass die Divergenz nicht die erwartete Wirkung zeigt. Ein üblicher Kursverlauf wird von verschiedenen Zeitzyklen dominiert. Die meisten Momentum-Indikatoren bilden durch ihre definierte Periodeneinstellung nur einen Zyklus ab. Wer verschiedene Zeitzyklen kontrollieren möchte, sollte mehrere Periodeneinstellungen testen. Einige Trader verwenden z.B. die ROC-Perioden 10, 15, 20, 25 oder 30. Ob diese Vorgehensweise zwingend notwendig ist, muss jeder Trader für sich selbst entscheiden.
Andere Indikatoren mit Divergenzanalyse
Der ideale Divergenzindikator ist der ROC. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er zwingend verwendet werden muss. Die Grundlagen der Interpretation gelten grundsätzlich für alle Momentum-Indikatoren. Im Detail kann sich das Verlaufsmuster eines Indikators ändern, nicht aber das Grundprinzip. Manche schwören auf den RSI zur Divergenzanalyse. Der klassische RSI ist ebenfalls ein Momentum-Indikator, der allerdings durch seine Berechnungsgrundlage eingeschränkt ist. Der ROC kann beachtliche Höhen erreichen, während der RSI durch seine Skalierung von 0-100 begrenzt bleibt. Dies führt in der Praxis dazu, dass der RSI schneller eine Divergenz anzeigt als der ROC. Und zwar eine Divergenz, die noch nicht gültig ist. Die Handelspraxis zeigt, dass der RSI häufiger Fehlsignale liefert als der ROC. Auf der anderen Seite bietet die Skalierung des RSI auch Vorteile, da der Indikator übertriebene Kursbewegungen mit einem Wert über 70 oder unter 30 präzise als Zahlenwert anzeigen kann.
Fazit:
Die Technische Analyse ist ein hervorragendes Mittel zur Analyse von Börsenkursen. Divergenzen eignen sich hervorragend, um regelmäßig Handelschancen zu entdecken. Wahrscheinlich bieten sie sogar die beste Statistik, um Kurse vorherzusagen. Warum Divergenzen so oft vernachlässigt werden, ist unerklärlich. Vielleicht ist die Momentumanalyse zu banal, um damit Geld zu verdienen. Es kann nicht sein, dass diese einfache Analyse so erfolgreich ist.
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