Mind-Session: Wieso verwenden so viele Trader Teilverkäufe?

 

Wir möchten mal ein Experiment wagen und ein neues Content-Concept versuchen. In der Rubrik „Mind-Session“ geht es darum, dass wir unsere Gedanken und auch dazugehörige Auswertungen einfach mal zu „Papier“ bringen und versuchen, im Nachhinein, die Leser und Leserinnen zum Nachdenken zu bewegen. Vielleicht ergibt sich ja auch die ein oder andere interessante Diskussion.

In unserer ersten Mind-Session soll es um das Thema der Teil-Verkäufe gehen.

Viele Trader kennen die Systematik der Teil-Verkäufe. Befindet sich eine Position x-% im Gewinn, so wird ein Teil des Gewinns realisiert und der weitere Verlauf des Trades mit der restlichen Position gehandelt. Doch ist dies auch der effizienteste und effektivste Weg im Trading um seine Gewinne zu optimieren?

Wir glauben nämlich nicht. Es gibt Situationen in Handelssystemen wo ein Teil-Verkauf tatsächlich einen Nutzen für Ihr Trading hat. Verwenden Sie ein Handelssystem mit einem zeitlichen Stop-Loss, das heißt, dass Sie zu einer bestimmten Uhrzeit aus dem Trade austeigen, so kann es tatsächlich der Profitabilität helfen, wenn Sie einen Teil-Verkauf verwenden. Im Regelfall, ist aber ein Teil-Verkauf im Gewinn sehr kontraproduktiv für eine Trading-Strategie. Wieso das so ist und wie man das ganz einfach errechnen kann, werden wir gleich auflösen.

Wir möchten uns aber noch, bevor wir unsere Herangehensweise erläutern, mit dem Grundgedanken der Teil-Verkäufe auseinandersetzen. Was soll ein Teil-Verkauf im Prinzip bewirken? Unserer Meinung nach, soll ein Teil-Verkauf das Risiko eines Trades minimieren und den Profit maximieren. Bei diskretionären Handelssystemen hat ein Teil-Verkauf auch noch eine starke psychische Komponente. Es wird nämlich suggeriert, dass man Gewinn mitgenommen hat und im Worst-Case-Szenario kein Geld mehr verlieren kann. Das liegt wohl daran, dass ein diskretionärer Trader einen einzelnen Trade mit deutlich mehr Gewicht bemisst, als es ein System-Trader tut.  Aber ein Teil-Verkauf im Gewinn bewirkt, im Regelfall, genau das Gegenteil. Auf einer langfristigen Sicht, wir gehen mal davon aus, dass die meisten Trader auch auf einen langfristigen Erfolg aus sind, schmälert ein Teil-Verkauf den Gewinn enorm.

 

Ein Phänomen der Trading-Psychologie oder ein zu starker Interessenkonflikt?

 

Wieso glauben die meisten Trader eigentlich, dass man einen Teil-Verkauf nur im Gewinn machen sollte? Weil es so viele Trading-Coaches im Live-Trading vormachen? Hier herrscht nämlich ein starker Interessenkonflikt zwischen der effizientesten Trading-Systematik und Live-Trades. Es soll dem Kunden nämlich, durch die vielen Teil-Verkäufe, suggeriert werden, dass die Live-Trader zuallererst ein sehr profitables System haben, da sie ja viele Gewinnmitnahmen erwirtschaften und andererseits soll gezeigt werden, wie gut sie die Welle eines Trends „mitsurfen“ können. Das Problem ist ja auch, dass die Live-Trading-Zuschauer genau sowas sehen wollen und genau auf sowas abfahren, da die meisten sich nicht die Mühe machen wollen bestimmte Systematiken zu hinterfragen.

Was machen also wir? In 98% unserer Systeme gibt es keine Teil-Verkäufe im Gewinn. Bei Systemen mit einem zeitlichen Stop-Loss schon, aber nicht in Trendfolge-Systemen oder Mean-Reversion Systemen. Wieso nicht? Weil, wie wir schon erwähnt haben, ein Teil-Verkauf unglaublich am Gewinn zerrt. Was machen also wir?  Wir machen Teil-Verkäufe im Verlust. Ja, Sie haben richtig gelesen. Doch wieso tun wir das? Kommen wir nun zu unserer Beispielrechnung.

Wir nehmen jetzt folgende Eigenschaften an:

  1. Wir haben immer eine 50/50 Chance an den Börsen
  2. Wir arbeiten mit einem CRV von 1:1
  3. Wir schließen beim Erreichen unseres Profit-Ziels die gesamte Position

 

Wir riskieren nun immer 100 Euro pro Trade. Sagen wir, wir handeln 10-CFD-Kontrakte. Somit ergibt sich, dass wir bei einem Verlust von -10 Punkten die gesamte Position schließen und bei einem Gewinn von +10 Punkten die Gesamte Position schließen. Spread, Slippage und Gebühren werden hier ignoriert. Es geht nämlich nur um die Verdeutlichung der Systematik.

Welche Szenarien können nun eintreffen? Wir können entweder einen Trade gewinnen oder verlieren. 50% Gewinn und 50% Verlust. Welchen Erwartungswert erhalten wir?

Rechnen wir aus: (0,5*100) + (0,5*-100) = 0. Wir erhalten einen Erwartungswert von 0. Das heißt, je länger wir dieses Handelssystem traden lassen, umso eher geht die Wahrscheinlichkeit gegen 100%, dass wir mit 0 Euro am Ende nach Hause gehen.

Schauen wir uns nun das gleiche Szenario mit einem Teil-Verkauf im Gewinn an. Sagen wir, der Einfachheit halber, dass wir bei einem Gewinn von 5 Punkten einen Teil-Verkauf von 50% durchführen. Welche Szenarien können nun hier eintreten? Nun können, wenn wir das Beispiel an die wirklichen Märkte anpassen, drei Szenarien entstehen. Das erste Szenario: Der Markt läuft sofort in den Gewinn. Zweites Szenario: Der Markt läuft sofort in den Verlust. Drittes Szenario: Der Markt läuft zuerst in den Teil-Verkauf und dann in den Verlust.

Welchen Erwartungswert erhalten wir nun? Rechnen wir: (0,33*-100) + (0,33*75) + (0,33*-25) = -16,5. Hmm, das sieht aber nicht so gut aus. Wir haben nun einen negativen Erwartungswert. Das heißt wir können ausgehen, so lange die Parameter des Systems gleichbleiben, dass dieses System auf langfristiger Sicht Geld verliert. So viel dazu, dass uns das hilft.

Wie wirkt sich aber nun ein Teil-Verkauf im Verlust auf dasselbe System aus?

Wir wenden nun dieselbe Systematik wie den Teil-Verkauf im Gewinn auf den Verlust an. Das heißt bei -5 Punkten verkaufen wir die Hälfte unserer Position.

Welche Szenarien können wir nun haben? Natürlich wieder drei. Erstes Szenario: Der Markt läuft sofort in den Gewinn. Zweites Szenario: Der Markt läuft sofort in den Verlust. Drittes Szenario: Der Markt läuft zuerst zum ersten Verlust und dann in den Gewinn.

Errechnen wir nun den Erwartungswert: (0,33*100) + (0,33*-75) + (0,33*25) = 16,5. Voila! Wir konnten nur durch die Veränderung der Stop-Loss-Systematik einen positiven Erwartungswert schaffen. Und das nur durch die Hilfe des Hinterfragens und des Querdenkens.

Mit Hilfe dieser Systematik verringern Sie Ihre Verluste um 25%. Im Rückkehrschluss also, erhöhen Sie damit Ihre Gewinne um 25%. Und unseres Erachtens nach, ist das Wichtigste im Trading das Risk- und Moneymanagement.

In unseren Handelssystemen, mal abgesehen vom Optionshandel, verwenden wir immer 2 Teil-Verkaufs-Zonen. Nun wissen Sie auch warum?

Haben Sie eine andere Meinung oder Ansicht zu Teilverkäufen? Dann schreiben Sie uns doch in die Kommentare.

Sollten Sie noch Wünsche zu Mind-Sessions haben, können Sie natürlich auch diese in die Kommentare schreiben. Sie können uns natürlich auch jederzeit per E-Mail erreichen.

 

Bis zur nächsten Mind-Session.

 

Mit freundlichen Grüßen aus Berlin,

Statistic-Trading

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