Liebe Leserinnen und Leser,
zunächst einmal möchte ich mich für die Überschrift entschuldigen. Sie suggeriert nämlich, dass Sie mit dem Lesen des Orderbuches Geld verdienen könnten. Allerdings ist die Überschrift zu 100% richtig, denn ich habe Ihnen nicht gesagt, wer die Top-Gewinne erzielt.:) Es sind nämlich die Broker und andere institutionelle Marktteilnehmer.
Experten sind oft gute Selbstdarsteller
Neulich las ich wieder ein bemerkenswertes Interview mit einem „Top-Trader“. Unter anderem ging es um das Thema Orderbuch-Trading. Der Experte erzählte, dass er über das Orderbuch in Verbindung mit dem Tick-Chart und Handelsvolumen, die Wendepunkte im Kursverlauf erkennen könnte. Die Informationen ziehe er aus dem Xetra-Orderbuch. Er meint, der Wendepunkt kommt dann, wenn die Ausführungen von der Geld- auf die Briefseite wechseln.
Bild: Beispiel eines Orderbuches der Deutschen Bank-Aktie
Was früher funktionierte – geht heute nicht mehr
Eine Empfehlung von mir: Wenn Sie lesen oder hören, das sich jemand mit dem Orderbuch einen Wissensvorteil erarbeiten kann, dann seien Sie misstrauisch. Kenntnisse über das Order-Buch boten zur Zeit des Parkett-Handels mit Ausruf einen enormen Vorteil. Die Zeiten haben sich jedoch durch die Schnelligkeit des Tradings radikal geändert. Jemand der vom Orderbuch-Trading redet, hängt in der Vergangenheit fest, und hat nicht bemerkt, dass sein Knowhow schon lange nicht mehr up-to-date ist.
Heute und auch in Zukunft regiert nur noch der Computer. Algorithmen und das superschnelle High Frequency Trading (HFT) dominieren die Orderbücher. In einem Bruchteil von einer Sekunde, können Orders in den Markt gestellt und wieder gelöscht werden. Die Umsetzung von Kauf- und Verkaufsaufträgen geht so schnell, dass der Mensch nicht mehr konkurrieren kann.
Ein Tipp: Beobachten Sie am Vormittag für 15 Minuten einmal das Orderbuch des DAX-Futures. Sie werden feststellen, dass kontinuierlich Positionen sowohl auf der Kauf- als auch auf der Verkaufsseite in den Markt gestellt werden, die niemals zur Ausführung kommen sollen. Sobald sich der Kurs in die Nähe der gestellten Order bringt, wird die Order gelöscht. Es ist ein ständiges Manipulieren und Täuschen. Herauslesen können Sie mit dem menschlichen Auge so gut wie nichts mehr. Sie benötigen schnelle Handels-Algorithmen, die mit einem Zeitvorteil reagieren können, dann klappt´s auch mit dem Orderbuch-Trading. Das ist technisch kein Problem, wenn Sie mehrere Millionen Euro in Hard- und Software investieren können.
Was ist mit Arbitrage?
Früher war es möglich Kursunterschiede innerhalb verschiedener Börsenplätze auszunutzen. Es war ein sicheres Geschäft für institutionelle Marktteilnehmer. Wenn ein Kurs zu billig oder zu teuer war, wurde sofort gegengesteuert. Daraus ergaben sich sehr kleine, aber sichere Gewinne. Es ist ein Differenzgeschäft, das sich aus der Ineffizienz eines Marktes ergibt. Das Arbitrage-Geschäft gibt es immer noch, doch es ist ein reiner Computer-Handel.
Bild: Anzahl gehandelter Kontrakte an der Eurex in Mio.
(Quelle: Statista)
Das obere Bild zeigt den enormen Anstieg der gehandelten Kontrakte. Der Anstieg ist nur durch den Einsatz von Computeralgorithmen zu erklären. Die Anzahl der tatsächlichen Trader hat sich nämlich nicht nennenswert geändert. Grob gesagt, die Anzahl der gehandelten Kontrakte hat sich in den vergangenen 20 Jahren verzehnfacht, weil die Computer-Dominanz zugenommen hat.
Die Qualität der Orderbuch-Informationen
Wenn Sie sich von Ihren Kursdaten-Anbieter, das Orderbuch der Börse anzeigen lassen, dann erhalten Sie nur einen Ausschnitt und niemals die Realität. Alle Anbieter zeigen Ihnen immer nur Schnappschüsse des Orderbuchs (zum Beispiel alle 0,3 Sekunden). Schon diese kurze Zeitspanne überfordert das menschliche Hirn, daher ist es auch nicht notwendig mehr anzubieten. Zwischen der Zeitspanne von 0,3 Sekunden, passiert jedoch auch aktiver Handel, den Sie nicht sehen.
Die Börsenwelt verändert sich kontinuierlich
In der heutigen Zeit, ist kein Trader in der Lage, mit diskretionären Trading und dem Studieren des Orderbuchs einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Im Gegenteil: Auf lange Sicht verliert jeder Trader gegen die Schnelligkeit der Computer.
Halten Sie Ihr Wissen immer auf dem neusten Stand. Denken Sie nach, ob Ihr Trading erfolgreich sein kann, und unter welchen Bedingungen kein Vorteil zu erzielen ist.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar