Wirecard – Eine Aktie mit Krisen-Abo?

Wirecard bietet Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, Risikomanagement und die Ausgabe von Kreditkarten an. Das sind prinzipiell Leistungen, die man von konventionellen Banken erwarten würde. Die traditionellen Banken haben dieses Geschäftsfeld vernachlässigt, so das Wirecard unbehindert wachsen konnte. Der Trend zum digitalen Bezahlen nimmt immer weiter zu und ein Ende ist nicht absehbar.

Eine außerordentliche Geschäftsverbindung mit UnionPay

Vom Kapitalmarkt weitgehend unbeachtet blieb der September-Deal mit UnionPay. Es ist der weltweit führenden Kreditkarten-Geber mit mehr als 28 Millionen Händlern. UnionPay ist „die“ chinesisches Kreditkartenfirma und größer als Visa oder Mastercard. 90% aller asiatischen Händler akzeptieren deren Kreditkarte. Die Geschäftsverbindung mit Wirecard ermöglicht UnionPay die technische Voraussetzung, damit eine weltweite Akzeptanz der UnionPay-Karten entsteht. Jede globale Transaktion bringt dann Wirecard eine geringe Gebühr ein. Daraus ergibt sich ein enormes Umsatzpotenzial.

Treueprogramm mit garantierten Umsatz

Der neueste Wirecard-Clou ist ein klassisches Treueprogramm. Das System mit Treuepunkte ist nicht neu und man findet es oft bei Einzelhändlern. Mit der neuen von Wirecard herausgegebenen Treuekarte können Verbraucher bei den teilnehmenden Händlern Treuepunkte, Flugmeilen oder sonstige Prämienpunkte sammeln. Die angehäuften Punkte können anschließend in elektronisches Geld umgewandelt werden- und damit lassen sich dann neue Produkte kaufen. Die teilnehmenden Händler profitieren so von zusätzlichen Umsätzen und der Kundentreue. In diesem Zusammenhang hat Wirecard besonders die Luftfahrtbranche im Fokus. Über 90 Fluggesellschaften rechnen über Wirecard ab. In den kommenden 1 bis 1,5 Jahren rechnet Wirecard mit einem zusätzlichen Umsatz von 150 Millionen Euro.

Wirecard hat eine volle Kasse

Wirecard ist momentan sehr liquide, weil durch eine Unternehmensanleihe 500 Millionen Euro eingenommen wurde. Die Verzinsung beträgt dabei niedrige 0,5% pro Jahr. Parallel dazu wurde eine Wandelschuld-Verschreibung mit der Softbank umgesetzt. Das bedeutet, Wirecard-Aktien wurden gegen zusätzliche Finanzmittel getauscht. Insgesamt hat Wirecard frisches Kapital in Höhe von 1,4 Mrd. Euro eingenommen. Das Geld soll für eine Reduzierung alter Bankschulden und für ein Aktienrückkaufprogramm genutzt werden.

Praktisch alle Aktivitäten von Wirecard versprechen für einen höheren Aktienkurs. Trotzdem brach der Kurs ein.

Was ist denn jetzt schon wieder los?

In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Anschuldigungen durch die renommierte Financial Times – und nun schon wieder. Wirecard wird vorgeworfen, dass regelmäßig falsche Angaben zu Umsatz und Gewinn gemacht worden sind. Außerdem soll es eine fehlerhafte Buchhaltung und Betrug von Mitarbeitern entstanden sein. Es waren sehr harte Vorwürfe, die regelmäßig zum Absturz der Wirecard-Aktie führten. Bisher konnten alle Vorwürfe weitgehend entkräftet werden. Es gab zwar wohl im kleinen Rahmen Fehlverhalten von Mitarbeitern, doch Wirecard einen systematischen Betrug vorzuwerfen, ist übertrieben. Betrug wäre auch nicht so einfach zu verdecken, denn Wirecard steht praktisch im Fokus aller großen Analystenhäuser.

Umso dramatischer ist der erneute Negativbericht der Financial Times zu werten. Im Raum stehen vorgetäuschte Kundenbeziehungen und illegale Bilanzierungspraktiken. Es soll „Luftbuchungen“ gegeben haben, die das Unternehmen in einem positiven Licht darstellen.

Über die Monate hat sich zwischen Wirecard und der Financial Times ein Privatkrieg entwickelt, der durch die Financial Times immer wieder neu befeuert wird. Wenn man es genau nimmt, dann zeigt eine der beiden Parteien ein kriminelles Verhalten. Der Unternehmenschef von Wirecard Markus Braun vermutet eine Zusammenarbeit von Redakteuren und Short-Sellern. Dabei handelt es sich um Spekulanten, die durch Ausnutzen von kurzfristigen Marktbewegungen Gewinne erzielen können. Ein Short-Seller gewinnt mit Wirecard, wenn der Aktienkurs fällt. Genau das passierte: Kurz nach der Veröffentlichung der Financial Times stürzte die Wirecard-Aktie intraday um über 20% ab. Am Tagesende (15. Oktober) schloss die Aktie mit -12,8%.
Die Unternehmensleitung von Wirecard gibt sich kämpferisch und verweist darauf, dass die Unternehmensgeschäfte sehr gut laufen.

Das Thema ist noch nicht erledigt

Für eine abschließende Bewertung des Vorfalls bedarf es weitere Informationen. Die Financial Times ist eine renommierte Zeitung, die im Ruf steht, eine korrekte Berichterstattung zu bieten. Andererseits ist es schon seltsam, dass professionelle Analysten in Bankhäusern und Research-Unternehmen bisher keine der Vorwürfe bestätigen konnten.
Weil Wirecard seit Monaten im Fokus der Presse steht, wäre eine systematische kriminelle Handlung eher unwahrscheinlich. Ein simples Beispiel: Wenn ein Bankräuber weiß, dass er von der Polizei beobachtet wird, wird er sich kaum dazu hinreißen lassen, eine neue Bank auszurauben. Oder?

Sonderprüfung durch KPMG

Am Montag (21.Okt.) gab Wirecard bekannt, dass die Wirtschaftsprüfung KPMG beauftragt wurde, um eine externe Sonderprüfung durchzuführen. Damit möchte Wirecard allen Kritikern offensiv entgegen treten. Wenn es normal abläuft, sollte Wirecard damit eine vertrauensbildende Maßnahme gelingen. Die Aktie bleibt spannend.

 

Bild: Wochen-Chart der Wirecard-Aktie [WKN: 747206]

Nach den jüngsten Skandalen ist die Volatilität der Aktie kein Wunder. Eigentlich verbietet sich nach dem Kurseinbruch eine technische Analyse, denn die Aktie folgt nicht der normalen Börsenpsychologie. Der Kurs wird vielmehr durch überzogene Ängste beeinflusst.
Das grobe Kursbild bleibt jedoch trotz der Kursverluste in einer bullishen Verfassung. Solange der Kurs in den eingezeichneten roten Linien verharrt, bildet sich das dreieckige Muster weiter aus.

Fazit: Die Wirecard-Aktie ist durch den neuesten Zwischenfall kurstechnisch angeschlagen. Obwohl das Gesamtbild weiterhin bullish ist, darf man die Ängste der Börsianer nicht unterschätzen. Wird die im Chart eingezeichnete untere Trendlinie durchbrochen, sind zusätzliche Wertpapierverkäufe wahrscheinlich. Fundamental gesehen muss man die Aktie als „Strong Buy“ deklarieren. Kein anderes Unternehmen im DAX verspricht ein größeres Wachstumspotenzial.

 

 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.